GWFH GdPdR 10: Die „Gediegenheit“ des Helden, oder: Ist Heroismus „dämlich“?

Hegels abschließende Bemerkung zum § 118, wo darauf hingewiesen wird, daß das „heroische Selbstbewußtsein“ (wie es in den griechischen Tragödien, z.B. von Ödipus vorgeführt wird) keinen Unterschied zwischen Tat und Handlung, also zwischen Vorsatz und Folgen, macht, wurde gestern dahingehend interpretiert, daß Hegel damit eine Haltung denunzieren möchte, die auch wir nicht anders als schlicht „dämlich“ bezeichnen könnten. Die „Gediegenheit“, mit der Hegel diese Haltung charakterisiert und die dazu führt, daß der Held „die Schuld im ganzen Umfange der Tat“ (ebd.) übernimmt, sei eine nur verhüllt lächerlich-machende Benennung für eine pathetisch-megalomane Selbstbezichtigung, die den eigenen Aktionsradius und Einfluß grob überschätzt.
Ich bin da nicht so sicher. Mir scheint das auch als Hinweis darauf interpretierbar zu sein, daß die Sphäre der Moralität, in der wir uns hier bewegen, eben auch die Sphäre der kleinlichen „Moralisierung“ ist, in der das genaue Abrechnen und Unterscheiden nach intendierten und nicht-intendierten Handlungsfolgen und die daran anschließende selektive Verantwortungsübernahme sich genau zwischen der Sphäre des „abstrakten Rechts“ (wo diese Unterscheidung noch nicht greift) und der der „Sittlichkeit“ (wo man über solche Kleinlichkeiten hinaus ist) situiert. Eben der Diskurs-Bereich, in dem man mit dem „abstrakten Verstand“ (vgl. ebd.) meint, zwischen einer die Motivation oder die Folgen bewertenden Handlungsevaluation unterscheiden zu können/müssen (Webers Gesinnungs- vs. Verantwortungsethik), wo man mühsam Notwendigkeit und Zufälligkeit Grenzen ziehen will, und wo jeder ach so verantwortlich Handelnde post factum immer kleinkrämerisch sagen kann „das habe ich aber nicht gewollt“ oder „es ist doch gar nichts passiert, es war ja nur ein Mordversuch“ usw. Natürlich leben wir in postheroischen Zeiten, wo ähnliche Gesten der überschießenden Verantwortungsübernahme (etwa bei Rücktritten von „Führungspositionen“, etwa eines Ministeriums) stark theatralische und leicht durchschaubar inszenierte Prägungen haben; aber daß wir zumindest den (meinetwegen: leicht nostalgischen) Begriff des „Heroischen“ trotz allem als positiv besetzte Gegenfigur gegen die allgegenwärtige kleinkariert-moralisierende schuld-nicht-schuld-Erbsenzählerei brauchen, glaube ich schon.

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Über Joachim Landkammer

Joachim Landkammer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kunsttheorie und inszenatorische Praxis der Zeppelin Universität.

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