Das achtzehnte Türchen, Fenster, Link, wahlweise Tor; je nach Form des favorisierten Kalenders, und damit achtzehn Uhr. Wo ich aufwuchs traditionellerweise die Stunde, in der, am Tag, auf den dieser Kalender zuarbeitet, Bänder durchschnitten, Päckchen geöffnet (und es gehört zu den schmerzlichen Erkenntnissen des Erwachsenendaseins, dass es nicht Bescherung aufgrund des zuhilfegenommenen Werkzeuges heißt), Karten gelesen, Dank(e) (was ist der Plural von Dank?) ausgesprochen und Umarmungen verteilt werden. Das alles aber erst, nachdem (um einen kurzen Einblick in familiäre Heiligabendtraditionen zu gewähren) der Bauḿ in Abwesenheit der Kinder (auch der erwachsenen Kinder) geschmückt, als Wurzelersatz Geschenke ausgebreitet und er schließlich angezündet wurde; weshalb später Wetten abgeschlossen werden können, welche der Kerzen am längsten durchhält. Alle Anwesenden dürfen (und müssen!) sich ein Weihnachtslied wünschen, das gemeinsam gesungen wird (maximal drei Strophen seit dem Vorfall im Jahr 2005), aber im Anschluss daran gibt es eine Stunde der Ruhe, nur durchbrochen von leisen Gesprächen und Erklärungen.
Diese weihnachtliche Ruhestunde von fünf bis sechs steht nun jedoch im starken Kontrast zu dem, was sich an meinem Wohnort leicht als Stunde des Lärms bezeichnen lässt. Denn um diese Zeit drängen sich vor meinem Haus fahrende Blechhütten, die sich für jeden Tag dort verabredet haben, um aus der Stadt hinausgefädelt zu werden, was mich wiederum veranlasst, sie jeden Tag aufs Neue zu beobachten und die frustrierten Hupgeräusche der Stehenden zu belauschen. Voll Faszination betrachte ich jene, die dort jeden Tag stehen und sich darüber ärgern, dass sie dort jeden Tag stehen und wiederholt Versuche unternehmen, alle Umstehenden in Luft aufzulösen, jedoch ohne Erfolg. Die Heizung läuft (kurze Ärmel) und heizt zugleich nicht nur den Planeten, sondern wohl auch die Gemüter ein (kurze Zündschnur). Besonders, wenn man als Fußgänger auf dem kurzen Weg zum Laden sowohl beim Hin- als auch beim Rückweg die Gleichen durch ein Nicken mit spöttischem Lächeln grüßt, scheinen die Reaktionen eine Spannweite von genervt bis erbost nicht zu unterschreiten. Simmel schrieb einmal über öffentliche Verkehrsmittel, dass sie Menschen dazu zwingen, über Minuten oder Stunden sich anzublicken, ohne miteinander reden zu können, was in der Folge zu einem Verlust von Kollektivität, einer gesteigerten Einsamkeit und dem Gefühl führe, von allen Seiten von geschlossenen Türen umgeben zu sein. Das ist hier zum Glück bei weitem nicht der Fall, lassen sich doch die automatischen Fensterheber mit einem kleinen Finger betätigen und frische* Luft die angestaute Luft des Drinnens ersetzen. Immerhin kann man sich am Abend bei Googlemaps vergewissern, dass der Weg eigentlich nur zwanzig Minuten sind und die Stunde, die es die letzten 200 Tage gedauert hat, nur eine Ausnahme ist.
Gegen Ende dieser Stunde lichtet sich schließlich der Nebel, der Schwaden wird abgelassen und es kehrt wieder festliche Stimmung ein und wir wetten darauf, welche Laterne als letztes ausgeht.