Über Maren Lehmann

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Adventskalender 2022. Die vierzehnte Stunde: 13:01 – 14:00 Uhr.

Von nun an bin ich ein Gefangener in mir selbst

Freitag ab eins macht jeder seins, das wäre ein praktischer Auftakt für eine Betrachtung zur 14. Stunde des Tages, der zweiten des Nachmittags. Mit dem Schritt aus dem Büro fängt irgendwie das Selbst an, wahrscheinlich – wieso sonst jeder seins – in einer egoistischen Variante, als Selbstsucht, die als anfangs resigniertes, dann aber aggressives Bedürfnis während der Zeit davor entstanden und genährt worden sein muss und auch über die freie Zeit des Wochenendes nicht schwächer wird, weil diese freie Zeit nur das Zeitloch ist zwischen Freitagmittag und Montagmorgen.

Irgendeine Polemik über das fade-out der Büromasken am Feierabend und, freitags, am Nachmittag Weiterlesen

Adventskalender 2022. Die zwölfte Stunde: 11:01 – 12:00 Uhr.

Well, this is Sunday

Will Kane, ein deutlich dem Alter anheimfallender, abgearbeiteter Mann, »grauhaarig und etwas hüftsteif« (Rustemeyer 2013, 342) – in Cunninghams Erzählung, die alle privaten Umständlichkeiten des Films weglässt, ohne High-Noon-Krisis auskommt und stattdessen gegen drei Uhr nachmittags kulminiert, heißt er wie in Foremans Drehbuch vornamenlos Doane und ist ein beständig seine schmerzenden arthritischen Hände knetender Witwer, der demissionieren muss, weil er keinen Colt mehr halten kann –, Will Kane also verheiratet sich mit Amy, einer kindlich jungen, in ihre frömmelnde Unbedarftheit wie in ein unpassendes Kleid gezwängten Frau. Seine Mitgift ist sein bisheriges Leben, ihre ihr künftiges. Weiterlesen

Adventskalender 2021

11

Es gibt eine merkwürdige Entsprechung, ja: eine Allianz, oder im Duktus der Texte: eine Verbrüderung zwischen Jesus, dem Verratenen, und Judas, dem Verräter. Sie sind die beiden Seiten des Verrats. Beide nehmen Schuld auf sich – durch subversive Aktion der eine, durch provozierende Passion der andere. Der eine überliefert, wie die Texte sagen, den anderen, wozu jener im Modus einer self-fulfilling prophecy auffordert. Eine Instrumentalisierung, könnte man denken, weil diese Überlieferung die Angst überwinden Weiterlesen

Adventskalender 2021

7

Das glass ceiling ist bei Billy Wilder eine Fußbodenattrappe über einer gedeckelten Treppe, die dadurch zu einem surrealen Möbel wird: »a stairway to nowhere«.[1] Die Rede ist von The seven year itch (1955), bekannt wegen eines über einem U-Bahn-Schacht aufwirbelnden Rockes. Vergessen dagegen der Film selbst: ein erhitzter Tagtraum, eine in die dekorierte Enge eines Apartments in Manhattan versetztes forum internum, eine Schuld- und Lustphantasie eines in der Großstadt eingesperrten Angestellten. Mit dem »7. Jahr«… Weiterlesen

Adventskalender 2021

2

Der Tag seiner Geburt sei ein Ostermontag gewesen, berichtet George Spencer-Brown[1] in der für ihn typischen Mischung aus Eitelkeit und Depression; ein Feiertag also, an dem so leicht kein Arzt aufzutreiben gewesen sei. Daher sei seine Mutter bei der Geburt mit ihm allein gewesen – wie sein Vater, wer immer das war, es bei der Zeugung mit ihr gewesen war. Man mag diesen Triumph einer ödipalen Verdrängung schon als Konstellation einer Zweiheit betrachten, und man… Weiterlesen

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