TWA ND 10

Zur abschließenden (?) Diskussion über das letzte Kapitel der ND schlage ich die Einbeziehung dieses (10 Jahre alten) Texts von J.P. Reemtsma vor:

Reemtsma, Jan Philipp, «Ja, wenn der Beckett im Konzentrationslager gewesen wäre. . .» — Überlegungen anläßlich einer in der «Negativen Dialektik» mitgeteilten Anekdote, in: ders., Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod, München: Beck, 2003, 250-266

Wichtig an diesem Text scheint mir Folgendes:
– der wichtige Hinweis auf den Paralleltext der Vorlesungsnachschrift, die von uns vielleicht nicht genügend ergänzend berücksichtigt wurde;
– der Hinweis auf den „schalen Geschmack“, der mit der Delegitimation der Überlebenden-Einsicht verbunden ist (obwohl dieser Adornosche Vorbehalt gerade heute wiede, in einer durch sog. „Zeitzeugen“ präsentierten und inszenierten populären Historik äußerst bedenkenswert scheint)
– Reemtsmas Kritik an Adornos allzu schnell Ungleiches gleichsetzender Generalisierung und Nivellierung von Ent-Individualisierungstendenzen (auf dem freien Arbeitsmarkt wie im KZ): das hatten wir in der Tat auch kritisch diskutiert.

Ich frage mich aber, ob ich Reemstma richtig verstehe, wenn ich seinen Text als die klarstellende Artikulation eines gewissen Widerspruchs deute: Adornos anekdotisch begründete Ablehnung einer „positiven“ und „Mut“ predigenden Konsequenz aus den Auschwitz-Verbrechen und seine Bevorzugung des „mutlosen“ Beckett steht quer zu seinem „solidarischen“ Festhalten an der Metaphysik und seinem Bekenntnis zur Philosophie, die er – so offenbar Reemtsma – trotz allem noch weiter pflegen will, wie der endlich desillusionierte Candide sein Gärtlein. Dagegen wird die mögliche (und nicht als Schwächlichkeit auszulegende) Gegenposition eines „Überlebenden“ wie Jean Améry stark gemacht, der aber gerade nicht zu einer „Schützengrabenreligion“ findet, sondern ein viel radikaleres Scheitern der Metaphysik, eine ganz grundsätzliche Skepsis gegen das Wort, gegen den Idealismus, gegen jegliche Philosophie, proklamiert als es Adorno Minimal-Optimismus („Glück des Gedankens“) tut. Ist das die These: Adorno predigt in seiner Verteidigung von Beckett gegen Ausschwitz-Überlebende zwar Radikalität, ist aber dann in seiner eigenen Haltung zur Philosophie nicht radikal genug?

Ist das die These? Und wenn ja, dann (natürlich wieder): stimmt das?

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Über Joachim Landkammer

Joachim Landkammer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kunsttheorie und inszenatorische Praxis der Zeppelin Universität.

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